Halver (rk) Wer auf die Schiene setzt, gewinnt die Zukunft. Ein engagierter Vortrag pro Bahn und stillschweigende Zustimmung im Auditorium. Etwa 50 Zuh?rer sitzen im Pr?fcenter Wegberg-Wildenrath der Siemens AG. Sie informieren sich ?ber Bahnkonzepte von morgen, die bereits heute realisierbar sind.

Organisiert haben die Tour Friedrich-Wilhelm Kugel, Gesch?ftsf?hrer der Schleifkottenbahn in Halver, und das Aktionsb?ndnis Volme-Agger-Bahn. „Enorme Chancen, k?nftige Probleme mit der Bahn l?sen zu k?nnen“ skizziert mit einer PC-Pr?sentation Torsten Dellmann, Leiter des Instituts f?r Schienenfahrzeuge an der TH Aachen. Bis 2020 werde der G?terverkehr auf den Stra?en stark ansteigen.

Mit den Beitrittsl?ndern aus dem Osten und deren Lkw-Flotten nehmen Preis-Dumping und verstopfte Stra?en zu, prognostiziert der Professor im Multimedia-Vortragsraum des Pr?fcenters. Abhilfe k?nne nur die Schiene bringen. Und die werde in 20 Jahren eine Frachtsteigerung von 70 Prozent erleben – mit Fracht von T?r zu T?r. Friedrich-Wilhelm Kugel h?rt entspannt zu. Er sieht sich best?tigt, das mit modernen Konzepten auch eine alte Technik wie die Bahn morgen noch interessant ist. „Dynamische Routenplanung“, stellt der Aachener Professor vor. Dazu Fahrzeuge mit „Eigenintelligenz“. Es werde Logistik-Koordinatoren auf elektronischen Marktpl?tzen geben. Der Kunde gebe Ziele vor. Und auf dem Marktplatz suchten die Koordinatoren die g?nstigsten Anbieter. Kleine Unternehmen k?nnten der Bahn auf Zubringerstrecken Konkurrenz machen. Mit technischen Mitteln k?nne man alles f?r die Schiene und eine umweltgerechte Gesellschaft tun, meint Dellmann: „Es ist alles da.“

LaserScanner tasten Streckenprofil ab

Die 50 Zuh?rer, davon etwa die H?lfte aus Halver, einige aus der Partnerstadt Hautmont, k?nnen sich ansehen, was Dellmann
meint. Franz Mairhofer, Projektleiter f?r den CargoMover bei Siemens stellt das „Fahrzeug mit Eigenintelligenz“ vor. Es
verkn?pft Schiene und Stra?e, ist ohne Fahrer unterwegs und „kommt bis 30 km/h sicher vor jedem Hindernis zum Stehen“, schw?rmt der Techniker.

Mit dem CargoMover seien dichtere Zugfolgen m?glich, eine bessere Auslastung der Strecken. Mairhofer:“Menschliches Versagen
gibt es nicht mehr.“ Die Funktion des ?berwachens, Beobachtens, Eingreifens ?bernimmt die Technik. F?nf Laser-Scanner, zwei Radar-Sensoren und eine Video-Kamera tasten das Strecken-Profil ab. Es ist zugig an der Strecke. Ein paar Hagelk?rner fallen. Alle stehen und warten auf den CargoMover, der sich hupend und blinkend dem Beobachtungsstand auf der Teststrecke n?hert. Ein Fotograf tritt auf die Gleise, will das Fahrzeug von vorn kriegen. Der Wagen stoppt sofort. An einem seitlichen Panel tippt ein Mitarbeiter Mairhofers das Ziel ein. Blinkend und hupend setzt sich der Cargo-Mover in Bewegung, steuert das „Ziel 3“ an.

Die Besucher dr?ngen wieder in den Seminarraum, vorbei an Z?gen aus Frankreich, am ICE oder einer Bahn aus Kuala Lumpur. Sie alle werden in Wegberg-Wildenrath getestet. „Das modernste Testzentrum in H?nden der Industrie“, erl?utert dessen Leiter
Engemann. 95 Millionen Euro wurden investiert – mit Hilfe des Landes NRW. Entwicklungen sollen schneller f?r den t?glichen Einsatz verf?gbar sein.

Ausland offenbar innovativer

Viele verstehen nicht, das das Land das Bahnkompetenzzentrum f?rdert, aber die Politik Hindernisse f?r die Modernisierung
der Bahn nicht aus dem Weg r?umt.

Trotz der optimalen Bedingungen dr?ngt auch der „Vater“ des CargoMover auf den praktischen Einsatz. Franz Mairhofer fordert, nachzudenken, ob man nicht „alte Betriebskonzepte ?berdenken mu?“. Er k?nnte sich den Test des automatischen Zuges in „geschlossenen Systemen“ vorstellen. Betriebsbahnen etwa… oder auf Strecken, wo die Zulassung kein Problem ist. Einig sind sich alle: „Wir brauchen ein interessantes Pilotprojekt.“ Und wenn die deutschen Beh?rden oder die Bahn zu unflexibel sind, dann eben woanders. Siemens ist ein Global Player. Franz Mairhofer w?rde seinen Zug auch in Italien oder der Schweiz fahren lassen. „Vielleicht gibt es L?nder, die innovativer sind als Deutschland“, meint er.

Viel Optimismus, was technische M?glichkeiten und k?nftige Chancen der Bahn angeht. Einer, der die Bahn kennt, m?chte diese Einstellung gerne teilen. Frank Prescha, Projekt-Manager bei der Bahn-Tochter DB Consult, sieht mit dezentralen Konzepten die Interessen der DB Cargo tangiert. Die setze auf Fernstrecken. Aber auch er bedauert das Bahnsterben in der Fl?che. „Da geht
viel den Bach runter, was man mit Steuergeldern gebaut wurde und was man nutzen k?nnte.“ Eine neue Denke muss her. Dar?ber sind sich alle im Seminarraum einig. „Nachdenken, ob man nicht alte Betriebskonzepte ?berdenken mu?.“ Da stimmen sie Franz Mairhofer zu. Denn: Was aus Sicht der Bahn betriebswirtschaftlich sinnvoll sein mag, nur gro?e Strecken zu bedienen, erscheint verkehrspolitisch h?chst fragw?rdig.

Quelle: WESTF?LISCHE RUNDSCHAU