Halver (bo) – Für 1,7 Mio. Mark bietet die Deutsche Bahn AG die Güterstrecke nach Oberbrügge an. Mag dieses Sümmchen noch
nicht schrecken: 8,9 Mio. Mark tun es, die in den nüchsten fünf Jahren zusützlich an Instandhaltungs- und Erneuerungskosten
zu erwarten sind. Beim Güterverkehr. Eine Reaktivierung des Personennahverkehrs hätte noch weit höhere Investitionen zur
Folge. Wenn die Bahn bei einem Zubringerverkehr auch bereit ist, beim Kaufpreis Verhandlungsbereitschaft zu zeigen – wer soll
das bezahlen?
„Ich weiß nicht, wer diese Summen aufwenden sollte“, machte gestern Stadtdirektor Kammenhuber im Gespräch mit dem AA
deutlich, daß er noch keinen neuen Eigentümer für die Strecke sieht. Der nächste Schritt wäre dann die Stillegung. Doch
soweit ist es noch nicht.
Im Rahmen des zur Zeit laufenden Verfahrens wurde neben dem Märkischen Kreis (wir berichteten) auch die Stadt Halver an-
geschrieben und gefragt, ob Interesse an der Streckenübemahme besteht. Die dreimonatige Erklärungsfrist läuft, Ende über-
nächsten Monats ab. Wenn sich bis zum 30.November kein Interessent findet, wird die Bahn die Stillegung beantragen. Mitte
1996 könnte das formelle Verfahren abgeschlossen sein.

Für die Bahnvertreter des Regionalbereichs Essen war es gestern nicht unbedingt neu, daß Halvers Stadtdirektor in Gegenwart
von Oberkreisdirektor Dr.Bernhard Schneider noch einmal ausdrücklich das städtische Interesse an den Bahngrundstücken zur
Verbesserung der verkehrlichen Infrastruktur bekundete. Doch nicht nur die Anbindung des Oesterberges an die Innenstadt
spielt – wie mehrfach berichtet – in den überlegungen eine Rolle, sondern auch der Gedanke an neue Wohnungen und Geschäfte.
„Das Gelände gehört zum Innenstadtbereich“, so Kammenhuber.
Natürlich ging es in der gestrigen Unterredung nicht nur um die Gleisverbindung Halver – Oberbrügge, sondern auch um alle
anderen dem Märkischen Kreis per Gesetz überantworteten Strecken. Die konstituierende Sitzung eines „Zweckverbandes
Schienen-Personen-Nahverkehr Ruhr-Lippe“ steht bevor, ein Nahverkehrsplan ebenso. Ein Gesamtkonzept also, dem nach über-
zeugung von Hansjörgen Kammenhuber die Deutsche Bahn AG mit ihrer derzeitigen Politik nicht eben dienlich ist. „Man kann
nicht einzelne Strecken losgelöst vom Gesamtkonzept sehen“, kritisiert er die „Salami“-Taktik des Unternehmens und fordert
stattdessen, daß erst 1996 aus der Gesamtkonzeption heraus Aussagen über die Netze getroffen werden, die weiterhin wünschens-
wert sind. „Solche Entscheidungen kann ich doch nicht vorab treffen“, so Kammenhuber.
Wie sich gestern zeigte, steht er mit dieser Haltung nicht alleine da. Auch beim Märkischen Kreis sieht man in einem Nah-
verkehrsplan den ersten Schritt.

Quelle: Allgemeiner Anzeiger