Von St. Aschauer-Hundt
PLETTENBERG. Peter Ziemann ist einer von denen, wie sie die Politik gerne vorf?hrt, wenn eine „Ein Ruck mu? durch Deutschland gehen“-Rede
gehalten wird. Der Betriebsleiter der Firma Stuhldreier beherrscht seine Maschinen ebenso wie das kaufm?nnische Fach; sechs
Existenzen h?ngen an der Metallwarenfabrik. Wie die gleiche Staatlichkeit wirklich mit einem Mittelst?ndler umspringt,
erlebten Peter Ziemann und seine Mitarbeiter soeben am eigenen Leibe. Die Deutsche Bahn AG, ein hundertprozentiger
Staatsbetrieb, erzwang die R?umung des Betriebsgel?ndes im Kahley und setzte den Abbruch des Betriebes durch. Die Fl?che soll
meistbietend verh?kert werden – money makes the world go around!
„Schwiegervater hat den Betrieb 1952 gegr?ndet und 1957 das Grundst?ck im Kahley von der Bundesbahn angepachtet.“
Vertragsbestandteil war, bei einer K?ndigung den Betrieb beseitigen zu m?ssen. 40 Jahre lang verstanden sich die Firma
Stuhldreier und die Bundesbahn gut, bis 1997 die zur Aktiengesellschaft mutierte Staatsbahn, vertreten durch ihre Immobilien-
Verwertungsfirma DB-Imm den Vertrag k?ndigte. „Im Brief stand lapidar, da? wir binnen drei Monaten ausziehen und abrei?en
m??ten. Das Grundst?ck werde verwertet.“
Peter Ziemann, der Betriebsleiter der Firma Stuhldreier sah sich – wie etliche Gewerbetreibende auch – mit der
ruppigen K?ndigung der Immobilienverwertungsfirma DB-Imm konfrontiert. Ziemann wurde gezwungen, seinen Betrieb im Kahley
innerhalb k?rzester Zeit zu schlie?en und abzubrechen. Seine Erfahrungen mit der „neuen Bahn“: „Skrupellos, zu keiner
Konzession bereit. Ob Existenzen auf dem Spiel stehen, spielt keine Rolle, das ist denen ganz egal.“ Bei der Firma
Stuhldreier arbeiten sechs Leute. Mit Ziemann erhielten vier weitere Mieter im Kahley die K?ndigung. „Dabei hatten wir ein Gebot abgegeben, um das Grundst?ck
zu kaufen.“ Die Immobilienfinna hielt es nicht einmal f?r n?tig, den Eingang zu best?tigen. Ziemann ging zum Anwalt, legte
Widerspruch ein. „Das brachte aber gar nichts – die Bahn hat sich auf nichts eingelassen.“ Der Betrieb im Kahley war nicht zu
retten. „Es ist nur gelungen, die Frist etwas zu dehnen, um den geordneten Auszug zu erm?glichen.“
Gl?cklicherweise besitzt die Firma Stuhldreier oberhalb der Wei?en Ahe in Herscheid eine weitere Fabrikationshalle. In der
wurde deponiert, was aus dem abzubrechenden Betrieb weiterverwendet werden sollte. „Von f?nf Tafelscheren konnten wir nur
zwei behalten. Die drei anderen Scheren mu?ten wir verkaufen. Einen Teil der Produkte, die wir am Kahley anbieten konnten,
mu?ten wir einstellen.“ – Der Schaden ist betr?chtlich: Die Halle mit Kranbahn hat einen Wert von 270 000 Mark, hinzu kommen
30 000 Mark Abbruchkosten. Die Bahn verweigerte kategorisch jeden Ausgleich. Im Gegenteil: Sie fordert von Ziemann eine
Strafgeb?hr, weil der zwei Monate zu sp?t abri?. Ziemann dazu: „Die Stadt brauchte vier Monate, bis sie die Abri?genehmigung
aussprach. Daf?r m?ssen wir nun auch noch bluten.“
Das war der Betrieb Stuhldreier im Kahley. Seit 1957 war das Unternehmen hier ans?ssig. Die Fl?che hatte man von der
damaligen Deutschen Bundesbahn gemietet und sich 40 Jahre gut mit der DB verstanden. Die neue Bahn AG warf die Firma
Stuhldreier kurzerhand heraus und erzwang den Abbruch der von Stuhldreier gebauten Halle – auf Kosten des Betriebes,
entsch?digungslos. Gestern kam der Bagger.
Quelle: S?derl?nder Tageblatt